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Kulturveränderung im Unternehmen – Interview mit Klaus Eckrich

In seinem Buch "Kulturveränderung im Unternehmen: Die verborgene Führungsdisziplin" beschäftigt Klaus Eckrich sich mit dem Managmentkonzept Kulturveränderung. Wir durften dem Autor einige Fragen zum Thema stellen.

Klaus Eckrich - Autor Kulturveränderung im UnternehmenHerr Eckrich, warum ist eine Unternehmenskultur auch für mittelständische Unternehmen von Bedeutung?

Das Konzept der Unternehmenskultur erfährt seinen publizitätsträchtigen Bedeutungszuwachs aktuell durch die Häufung skandalverdächtiger Managementpraktiken bei Großunternehmen. Nicht zuletzt, weil diagnostizierte „mangelnde Unternehmenskultur“ und „verrottete Führungskultur“ direkt mit milliardenschweren Verlusten bei Anteilseignern von Unternehmen (z.B. bei VW, Deutsche Bank, ThyssenKrupp) in Verbindung gebracht werden.

Für mittelständische Unternehmen ergibt sich dagegen der steigende Stellenwert des Kulturkonzepts aus völlig anderen Überlegungen:

Das „Durchwurschteln“ stößt an seine Grenzen. Das für Mittelständler typisch hemdsärmelige „Pack-an“ wird zunehmend ineffektiv. Denn sobald rasantes Unternehmenswachstum mit der Aufstockung von Personal einhergeht ist folgendes zu beobachten: Der für Kleinunternehmen so prägende persönliche Kontakt zu allen Mitarbeitern wird durch die Entwicklung von unpersönlicheren Führungsstrukturen abgelöst.

Die Kultur kommt dann ins Spiel, wenn Geschäftsführung und Leitungskräfte realisieren, dass sie ein gemeinsames, einheitliches Führungsverständnis im Umgang mit dem wachsenden Mitarbeiterkreis brauchen. Die Verantwortlichen stellen fest, dass in größeren Organisationseinheiten Mitarbeiter den Überblick über das Ganze verlieren. Die Klarheit der Aufgaben und Verantwortung leidet. Das Bedürfnis nach mehr Information und besserer Kommunikation steigt, weil der Abstimmungsbedarf mit immer mehr Kollegen zunimmt. Vorgesetzte erleben steigende Führungsspannen als Belastung, weil sie häufiger Irritation, Demotivation und Konflikte bei den Mitarbeitern ausmachen.

Den Verantwortlichen wird somit klar, dass ein „Weiterwurschteln wie bisher“, wie es ein Produktionsleiter einmal treffend auf den Punkt brachte, zwingend durch eine leistungsfähige Führungskultur und eine effektive Kommunikationskultur zu ersetzen ist.

„Wachstumsschmerzen“ werden stärker: Die Phasen, in denen das Unternehmen mit gut vertrauten Großkunden und wenigen Standardprodukten viel Geld verdient, sind irgendwann vorbei. Größer gewordene Mittelständler bekommen es mehr und mehr mit einer Vielzahl von Kunden zu tun, die mit ganz individuellen und sich häufig ändernden Bedürfnissen das Unternehmen vor immer neue Herausforderungen stellen. Wachsen zudem die Anzahl und die Komplexität der Produkte, muss eingefahrene Routinetätigkeit in funktionalen Abteilungen immer mehr durch bereichsübergreifende, zeitkritische und flexible Zusammenarbeit abgelöst werden.

Die Geschäftsführung stellt dann fest, dass Spannungen, Missverständnisse und Konflikte zwischen Mitarbeitern verschiedener Bereiche vor allem an den Schnittstellen zunehmen und zu Wachstumsbremsen werden. Die steigende Notwendigkeit des Zusammenwirkens verlangt nach einer Kultur des Miteinander. Ungelöste Schnittstellenprobleme, die sich immer in mangelnder Zusammenarbeit zeigen, kann sich das Unternehmen mit Wachstumsambition auf Dauer nicht mehr leisten.

Führungskräfte werden zum Bottleneck für Veränderung: Mittelständler mit Ambitionen zum „Hidden Champion“  sehen sich mit zusätzlichen kulturellen Hemmfaktoren konfrontiert. Sobald sie Veränderungen im Unternehmen vornehmen, zeichnet sich immer wieder das gleiche Drama ab: Bei der Umsetzung organisatorischer Veränderungen zeigen sich Führungskräfte von der Aufgabe, die Mitarbeiter ins Boot zu holen, überfordert. Wenn Mitarbeiter Desinteresse oder gar Widerstand gegen Veränderung zeigen, fehlt es den Chefs an Wissen und am Handwerkszeug für den richtigen Umgang mit Menschen, die nicht so wollen, wie die Chefs.

Um die Dynamik im Markt proaktiv anzugehen und die führende Position auszubauen, benötigen Marktführer dringend eine agile Veränderungskultur. Andernfalls laufen sie Gefahr, durch reaktives und obendrein chaotisches Change Management den Anschluss an volatile Marktentwicklungen zu verlieren.

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Wie wird Unternehmenskultur sichtbar?

Die Frage trifft den Kern des Problems: Unternehmenskultur ist vom Wesen her schwer sichtbar und bleibt dem unbedarften Beobachter zunächst verborgen. Das Statement „Culture is like Gravity - You dont' feel it unless you jump” macht deutlich, warum manche Manager die Unternehmenskultur sogar als Mysterium erleben: Kultur ist eine starke aber eben im Verborgenen wirkende Kraft.

Wer als Manager die Kultur sichtbar machen will, geht am besten in drei Schritten vor:

  1. Wichtig ist, die Kultur als impliziten Wirkungsmechanismus in jedweder Organisation anzuerkennen, auch wenn die meisten Organisationsmitglieder dafür keine Antennen haben. Wie bei der Raumtemperatur merkt man nichts davon, solange sie bei angenehmen 21 - 22° liegt. Die Wahrnehmung ändert sich jedoch, wenn die Temperatur unter 21° fällt oder über 22° steigt. Auf die Unternehmenskultur übertragen heißt dies: Man spürt die Kultur erst, wenn Mitarbeiter aneinander vorbei arbeiten, Konflikte entstehen, Kunden häufiger reklamieren oder Terminvorgaben gerissen werden.
  2. Der zweite Schritt besteht darin, die Steuerungsgrößen der Unternehmenskultur zu identifizieren. Kultur kann als Zwiebel mit drei Schichten, bestehend aus Verhaltensweisen, Einstellungen und Werten dargestellt werden. In dieser Metapher steht die Schale als Sinnbild für das Verhalten. Die Schale befindet sich außen und ist deshalb gut sichtbar. Wenn wir die Zwiebel aufschneiden, entdecken wir Schicht für Schicht, dass sich unter der Oberfläche noch mehr verbirgt, z.B. die Einstellungen. Schließlich stoßen wir zum Kern der Sache, den Werten, vor. Einstellungen und Werte sind in der Tat mit bloßem Auge nicht erkennbar. Aber wir können uns – in Analogie zum Aufschneiden der Zwiebel – mit den tiefer liegenden Schichten gedanklich auseinandersetzen und damit greifbar machen.
  3. Der dritte Schritt besteht schließlich aus der Arbeit mit den identifizierten Steuerungsgrößen der Kultur. Das Verhalten kann beispielsweise durch Beobachtung beschrieben werden. Einstellungen und Werte werden durch Befragungen oder Selbstreflektion erkennbar.

Sie setzen sich mit dem Begriff der „unbewussten Inkompetenz“ auseinander. Warum ist dies wichtig auf dem Weg zu einer Unternehmenskultur?

Jedes Unternehmen hat eine Kultur, auch wenn sich niemand aktiv darum bemüht. Diese Erkenntnis führt zum wesentlichen Punkt, nämlich der Frage, ob die Unternehmenskultur effektiv ist oder ob sie für den weiteren Unternehmenserfolg eher einen Hemmfaktor darstellt. Im Kern hat die aktive Kulturgestaltung im Unternehmen mit zwei Aspekten zu tun.  Erstens: Die Änderung im „Umgang der Menschen miteinander“, also z.B. die Art, wie Vorgesetzte ihre Mitarbeiter führen, Kollegen miteinander reden oder Geschäftsführer zusammenarbeiten. Und  zweitens: Die Änderung im „Umgang mit den Sachverhalten“, also etwa, wie Innovation ermöglicht, wie Qualitätsproblemen vorgebeugt oder wie mit Kundenanfragen verfahren wird.

Um erfolgreichen, nachhaltigen Wandel im Unternehmen zu erzeugen, müssen sich Führungskräfte und Mitarbeiter auf Lernprozesse einlassen. Nur so ist der veränderte Umgang mit Menschen und Sachverhalten dauerhaft sicher zu stellen. An diesem Punkt kommt die Vorstellung von „unbewusster Inkompetenz“ ins Spiel.

In der Psychologie stellt die Stufe der unbewussten Inkompetenz die erste von vier Lernstufen dar. Umgangssprachlich ist uns der Begriff auch bekannt als „Wir wissen nicht, was wir nicht wissen“.

Verantwortliche im Unternehmen lassen die Chancen des Lernens zu oft ungenutzt. Sie zeigen im doppeltem Sinn Kompetenzlücken. Zum einen sind sie nicht in der Lage, den Kulturwandel so zu gestalten, dass die Kultur dem Unternehmen zu mehr Effektivität und Wettbewerbsstärke verhilft. Zum anderen sind sie sich der Lücken in ihrer Wahrnehmung erst gar nicht bewusst.

Daraus entsteht für das Unternehmen eine gefährliche Situation. Sofern die Geschäftsführung und ihre Teams auf der Stufe der unbewussten Inkompetenz verharren, legt sich Kulturblindheit wie ein Schleier über alle Ebenen und Funktionsbereiche des Unternehmens. Der Blick auf die ureigentlichen Energiequellen und Ursachen des Unternehmenserfolgs bleibt verstellt. Stattdessen schauen die Verantwortlichen nur auf Symptome des Erfolgs, z.B. die Kennzahlen, oder sie reiben sich im Tagesgeschäft auf. Das kann gut gehen – tut es aber meistens nur zufällig oder über einen begrenzten Zeitraum. Sobald die Situation eintritt, in der Wettwerber mit einer effektiveren Unternehmenskultur vorbeiziehen, passiert interessanterweise folgendes: Die Ursache für den Misserfolg wird nicht in der eigenen Inkompetenz gesucht, sondern bei anderen, bevorzugt bei den Kunden, bei den Kapitalgebern oder bei der Politik.

Um das Kulturkonzept gewinnbringend im Unternehmen zu nutzen, ist es also wichtig zu verstehen, wie Kompetenzentwicklung vorangebracht wird. Ausgehend von der unbewussten Inkompetenz bewegt sich der Lernende über die Stufe der bewussten Inkompetenz, gefolgt von der bewussten Kompetenz. Am Ende erreicht der Lernende sogar das Stadium der unbewussten Kompetenz. Kulturwandel, also Veränderung in den Verhaltensweisen, Einstellungen und Werten bedeutet, dass sich das ganze Unternehmen immer wieder in diesen Lernzyklus begibt, wenn neue Herausforderungen zu bewältigen sind.

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Haben Sie vielleicht drei Tipps für diejenigen, die sich an das Thema Unternehmenskultur heranwagen wollen?

  1. Eine Anregung ist aus meiner Sicht, Neugier zu entwickeln. Beim Thema Unternehmenskultur ist dies besonders wichtig, gerade weil das Konzept auf den ersten Blick schwer fassbar und greifbar erscheint. Bei vielen erlahmt deshalb das Interesse, manche trauen sich erst gar nicht, das Thema anzupacken. Wer aber erste Hemmschwellen überwindet, wird belohnt. Denn die Beschäftigung mit dem Verhalten von Vorgesetzten und Mitarbeitern liefert immer Neues und Überraschungen. Entscheider, die den Kulturwandel auch praktisch anpacken, stellen fest, dass sie bei den Mitarbeiten offene Türen einrennen.
  2. Eine weitere Anregung ist vor allem, echte Verbündete für die Gestaltung der Kultur zu suchen. Wer auf sich alleine gestellt ist, hat es schwer. Es braucht Leute mit „affektivem“ Commitment, d.h. Menschen, die den Wandel aus Überzeugung und mit Herzblut mitgestalten. Verbündete zu gewinnen sieht auf den ersten Blick nach einer schwierigen Mission aus. Aber meiner Erfahrung nach gibt es in jedem Unternehmen genügend Menschen, die bereit sind, mit anzupacken und Dinge an der Kultur zu verbessern.
  3. Das „A und O“ für den Erfolg ist: Hand aus der Hosentasche! Kulturgestaltung ist eine schöne Aufgabe, aber eben auch Arbeit. Dafür braucht es die richtige Einstellung, z.B. Konsequenz, sowie Werte, z.B. Disziplin. Wer glaubt, die Kultur „im Vorbeigehen“ mal eben zu ändern, wird nicht weit kommen.

Vielen Dank, Herr Eckrich, für das Interview.

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