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Herstellermarken vs. Handelsmarken im FMCG-Business

Wer die aktuelle Diskussion in den Medien und im deutschen Einzelhandel ein wenig mitverfolgt hat, hat vielleicht mitbekommen, dass die Einzelhandelskonzerne REWE und EDEKA aktuell im Streit mit einigen Herstellern und deren Marken liegen. Es geht um Preiserhöhungen und natürlich um die Frage welchen Stellenwert diese Marken aktuell im Handel bei den Konsumenten haben.

Passend zu dieser Diskussion hat unser Interviewgast Michael Unkel seine Research Ergebnisse zum Thema:

Markenartikel und Handelsmarken in der Konsumgüterindustrie – Das Spannungsverhältnis von Marken und Handelsmarken im deutschen Lebensmittelhandel

vor kurzem veröffentlicht.

Herr Unkel, stellen Sie sich doch bitte einmal kurz unseren Lesern vor.

Sehr gerne, mein Name ist Michael Unkel, seit über 10 Jahren freiberuflicher Hochschuldozent in Berlin (z.B. an FOM, IU und HWR Berlin) sowie Marktforscher und Autor von aktuellen Marketing Themen. Zuletzt habe ich für eine regionale Spirituosenmarke, Mampe Berlin eine qualitative Marktforschungsstudie zum Flaschendesign-Relaunch abgeschlossen. Vor meiner Lehrtätigkeit war ich in Marketingfach- und Führungspositionen bei der Oetker-Gruppe, Coca-Cola und Beam Global tätig.

Brandaktuell haben Sie eigentlich genau passend Ihre Forschungsergebnisse gerade bei Springer veröffentlicht. Können Sie für unsere eiligen Leser einmal kurz ihre Studie skizzieren?

Die Studie, die Sie ansprechen stammt aus 2018/19, hierbei wurden insgesamt 300 Verbraucher im Rahmen einer quantitativen Online-Befragung sowie in qualitativen Fokusgruppen nach ihren Einkaufspräferenzen bei Alltagsgütern befragt. Zusätzlich wurden noch knapp 30 Experten aus Wissenschaft, Industrie und Agenturen persönlich interviewt (bisher wurde das Fachbuch 22.000-mal bei Springer Online heruntergeladen).

Zentrale Erkenntnisse der Studie, die heute noch aktueller als zuvor sind

95% der Verbraucher unterscheiden heute klassischerweise nicht in Hersteller- oder Handelsmarken, präferiert und gekauft wird, was dem persönlichen Preis-Leistungsverhältnis, dem Qualitätsanspruch sowie Zusatzaspekten wie Bio/Öko oder Regionalität entsprechen.

Welchen Wert haben denn klassische Markenartikel in der heutigen Zeit noch?

Starke Marken der Hersteller, die eindeutig positioniert sind und ein unverwechselbares Profil haben, geben den Verbrauchern Sicherheit und sind im Überangebot der meisten Kategorien eine Einkaufshilfe. Denken Sie an globale Markenartikel wie Coca-Cola, Ferrero oder Lindt Schokolade, aber auch an nationale oder regionale Marken wie Landliebe oder Rügenwalder Mühle. Diese Marken sind seit vielen Jahren oder Jahrzehnten in den Köpfen zahlreicher Haushalte verankert.

Allerdings müssen die Markenhersteller aufpassen, dass Sie im Bereich der Innovationskraft oder Nachhaltigkeit nicht gegenüber den stark gewachsenen Handelsmarken den Anschluss verlieren.

Die Drogeriemarktkette dm ist ein gutes Beispiel, wie modern und attraktiv die Eigenmarken im Bereich Körperpflege- und Kosmetik, aber auch bei Lebensmittel sein können.

Welchen Stellenwert haben Handelsmarken und warum werden diese gerne gekauft?

Handelsmarken sind in Deutschland kein neues Thema, wir blicken hier auf eine über 40-jährige Entwicklung zurück. Insbesondere in Zeiten der globalen Unsicherheit (z.B. Krieg in Ukraine) und hoher anhaltender Inflation, gerade bei Lebensmittel und Energie kann man davon ausgehen, dass Verbraucher noch stärker bei den Handelsunternehmen die Eigenmarken präferieren. Die GfK sprach bereits in 2021 vom „Jahr der Handelsmarken“ und dass war auch in 2022 und wird wohl im aktuellen Jahr so bleiben.

Gibt es Warengruppen die prädestiniert für Herstellermarken bzw. Handelsmarken sind?

Klassischerweise sind es Alltagskategorien in der Grundversorgung wie Wasser, Milch, Backwaren oder Frischhaltefolien. Die Handelsmarken haben zuletzt in allen Kategorien wie Preiseinstieg, Mittelpreis und Premiumpreis-Segment hinzugewonnen.

Allerdings finden wir in den letzten Jahren verstärkt Handelsmarken in Bereichen wie regionale oder nachhaltige Produkte z.B. Rewe Bio oder Edeka Bio, aber auch im Pflege- und Kosmetikbereich. Denken Sie hier an Player wie dm mit starken Eigenmarken wie Alverde oder Balea.

Im Online-Bereich entwickelt Amazon ständig neue Eigenmarkenlinien wie beispielsweise Amazon Basics weiter.

Wird aus Ihrer Sicht die Verschiebung der Marktanteile vom Stationären Handel hin zum Online Handel einen Einfluss auf die Marktanteile Hersteller vs. Handelsmarken haben?

Das Einkaufsverhalten der deutschen Haushalte im Bereich der Online-Lieferdiensten liegt aktuell nur bei ca. 3 Prozent – was im europäischen Vergleich sehr gering ist. Globale E-Commerce Giganten wie Amazon tragen mit den bereits gut eingeführten Eigenmarken wie Mama Bear (Pflegebereich) einen wachsenden Anteil dazu bei.

Allerdings macht der Trend zur Entwicklung und Forcierung von Eigenmarken auch bei den Online-Supermärkten wie Flink oder Gorillas nicht halt; in 2022 hat sich dieser Trend gerade im Premiumbereich abgezeichnet. Demnächst wird noch ein weiterer Player aus Niederlanden, Picnic sein Deutschlandgeschäft in der Online-Nahversorgung ausbauen. Picnic kooperiert mit Edeka und nutzt diese Handelsmarken, entwickelt aber auch eigene Private Label-Linien.

Natürlich werden auch bei den Online-Anbieter starke Marken der Hersteller nach wie vor nachgefragt.

Lassen Sie uns noch zum Abschluss gemeinsam in die Kristallkugel schauen. Mit welchen Trends sollten wir hierbei rechnen?

Wie schon erwähnt wird auch im Jahr 2023 die hohe Inflation gerade bei Lebensmittel bleiben. Die Verbraucher müssen in Bereichen wie Alltagsgüter, Möbel, Fashion oder Reisen sparen. Insbesondere das Segment des Preiseinstiegs wird bei Handelsmarken noch weiter nachgefragt werden.

Segmente wie Bio- oder Nachhaltigkeit könnten aufgrund der generell höheren Preise und des limitierten Budgets weniger gekauft werden. Starke Markenartikel wie Frosch aus dem Bereich der Öko-Produkte, die jahrelang Wachstumsraten gewohnt waren, stehen unter Druck. Gerade im Segment der Öko-Wasch- und Reinigungsmittel entwickeln sich die Handelsmarken positiv.

Vielen Dank für das Interview, Herr Unkel. Wer sich für mehr interessiert, findet die komplette Publikation bei Springer:

Michael Unkel

Über den Autor

Michael Unkel ist langjähriger Hochschuldozent im Bereich Marketing an verschiedenen Hochschulen in Berlin. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Brand Management, Handelsmarketing sowie Online-Marketing und Sales Management. Unkel ist ein ausgewiesener Marketing-Experte sowie Fachbuchautor bei Springer Gabler und führt neben seiner Lehrtätigkeit Beratungs- und Marktforschungsprojekte im Bereich FMCG bei etablierten Unternehmen sowie Start-Up’s durch.

Autor

DIM-Team